Wie so manchmal, habe ich mich maßlos überschätzt. 10 m eine steile Leiter hoch: kein Problem!
Am Fuße der Leiter wird mir klar: dies wird meine nächste Mutprobe. Gebucht ist gebucht, geschenkt ist geschenkt, also muss ich hoch, Höhenangst hin oder her. So klammer ich mich fest an die Leiter und setze ein Fuss über den anderen, Blick starr gerade aus. Ja nicht hoch oder runter schaun…
Oben angekommen: tief atmen, tief aufatmen, tief durchatmen – sicher fühlen.
Es ist ein schönes Gefühl vom Baum getragen zu werden. Das liebevoll und sehr baumfreundliche Holzhaus ist sehr behutsam am Baum integriert worden, ohne Schrauben oder Bolzen. Ein Raum, ein Bett mit großem Fenster einschließlich Dachfenster, eine Terrasse mit Blick ins Tal bis zum Bodensee. Die tiefhängenden Äste der Rotbuche schützen und bilden ein dichtes Dach.
Der Blick nach oben zeigt: man befindet sich mitten am Baum, der Baum ist hier noch lange nicht zu Ende.
Hier bleib ich weil es so schön ist und auch weil ich diese Leiter nicht mehr herunter möchte.
Wir richten es uns gemütlich ein für die Nacht. Zum Glück gibt es einen Flaschenzug und so schaffen wir unsere mehr als 7 Sachen einfach und bequem nach oben. Ausgestattet mit Schlafsack und Gaskocher, Nudeln und frischem Bodensee-Obst, Bier und Kniffel kann der Abend kommen.
Es ist der längste Tag des Jahres oder die kürzeste Nacht im Jahr und wir liegen bis weit nach Mitternacht eingemummelt im Schlafsack auf der Baum-Terrasse und schauen in die Blätter. Leider ist der Himmel bedeckt und so sehen wir nur 1 Stern und die Lichter der Häuser am Bodensee-Ufer.
Aber das Blätterrauschen ist ein Erlebnis und ich könnte ewig in die Blätter schauen.
Der Bodensee bildet das perfekte Rahmenprogramm. Ich fasse wieder meinen Mut zusammen und klettere herunter – ich überlebe.
Und so erkunden wir was wir erkunden wollen: die Hunderwasserausstellung in Lindau, Kloster Salem, die Uferpromenade von Überlingen, den Pfänder bei Bregenz und den Rheinfall in Schaffhausen.
Eine weitere Nacht im Baumhaus – diesmal bei Regen. Auch hier schützt der Baum und der Regen prasselt auf das Dachfenster.
Früh morgens zieht der Nebel durch die Bäume bis der Himmel wieder aufreißt.
Es ist Zeit für einen letzten Abstieg mit zitternden Knien. Ich kann mich einfach nicht an die steile Leiter gewöhnen und wünsche mir ein Baumhaus mit Wendeltreppe.
Dann nehmen wir Abschied vom Baum. Ich schließe die Augen und male. Natürlich in Grün…
